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 1. Österreichische Filmtage Velden 1977


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Die Diagonale - das Festival des österreichischen Films - hat eine lange Geschichte, die bis in das Jahr 1977 zurückreicht, als in Velden die ersten „Österreichischen Filmtage“ stattfanden. Horst Dieter Sihler und das Klagenfurter Kinomuseum haben hier Original-Dokumente zur österreichischen Filmgeschichte zusammengestellt. Zu Beginn die Broschüre von 1977, dann das Programm und die Pressemappe. Abschließend die Tainacher Resolution von 1982.


1. Österreichische Filmtage Velden 1977

ZUR NEU-ORIENTIERUNG
DER
ÖSTERREICHISCHEN FILMSZENE

  Gibt es einen neuen österreichischen Film? Wenn ja, wie sieht er aus, wie wird er gefördert? Was wurde bisher gefördert, wie soll in Zukunft gefördert werden? Auf alle diese Fragen wissen nur die Wenigsten eine schlüssige Antwort. Interessierte Filmfreunde und auch die betroffenen Filmemacher selbst vermissen einen Überblick. Bisher gab es nur einzelne Filme und einzelne Autoren: Einzelkämpfer gegenüber einer absterbenden Branche und einem allmächtigen ORF.

  Seit einem Jahr gibt es nun wieder Ansätze zu einer Neu-Orientierung der österreichischen Filmszene. Den Anstoß dazu gab eine Filmförderungstagung im Oktober 1976 in Klagenfurt, wo sich die Betroffenen aus allen Lagern erstmals solidarisierten. Im Jänner 1977 traf sich der „Klagenfurter Kreis“ in Innsbruck wieder, um Kino- und Abspielprobleme zu erörtern. Dem „Klagenfurter Manifest“ folgte die „Innsbrucker Erklärung“: Der Film muss wieder ein öffentliches Ereignis werden!

  In der Zwischenzeit konstituierte sich in Wien mit 60 Gründungsmitgliedern das „Syndikat der Filmschaffenden Österreichs“, das Film als soziale Handlung versteht und einen umfangreichen Film-Maßnahme-Katalog ausgearbeitet hat, dessen Forderungen im geplanten Filmförderungsgesetz berücksichtigt werden sollen. Eine Kino-Kooperative als Zusammenschluss aller alternativen Spielstellen in Österreich wurde gegründet, ein Alternativ-Verleih ist im Entstehen, um den Anschluss an die internationale Filmszene wiederherzustellen.

  Seit 1974 gibt es in Österreich bereits eine Art Zwischenlösung staatlicher Filmförderung durch den Filmbeirat des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst. Etwa 40 von 360 eingereichten Projekten wurden bewilligt. Auf diese Weise entstanden einige Dutzend Kurz-, Dokumentar- und Experimentalfilme, sowie eine Reihe von Spielfilmen, die im In- und Ausland bisher kaum zur Kenntnis genommen worden sind - erste Ausnahme: die Berlinale 77 mit dem beachtlichen Abschneiden der Filme „Unsichtbare Gegner“ von Valie Export und „Kanga Mussa𔄬 von Götz Hagmüller - da es keine Interessenvertretungen dafür gab.

  Eine Bestandsaufnahme erscheint daher notwendig, zur Beantwortung obiger Fragen, zur Erarbeitung eines neuen Selbstverständnisses des österreichischen Films und als Basis für die Zukunft.

  Die „Österreichischen Filmtage“ in Velden / Wörthersee sollen als erste nationale Informationsschau und als Diskussionsforum aller abhängigen und unabhängigen österreichischen Filmschaffenden eine solche Bestandsaufnahme ermöglichen.

  Wir bitten daher alle Betroffenen und Interessenten, Filmemacher, Kritiker und Filmfachleute aus allen Bereichen, um ihre Teilnahme und Mitarbeit. In Zukunft sollen die Filmtage alljährlich stattfinden.

HORST DIETER SIHLER


1. Österreichische Filmtage Velden 1977 1. Österreichische Filmtage Velden 1977 - Horst Dieter Sihler beim Mitternachtsstammtisch



Auszug aus dem KLAGENFURTER MANIFEST l976

Film als das fortschrittlichste Medium der industriellen Gesellschaft ist eine vorrangige kulturpolitische, sozialpolitische und wirtschaftspolitische Aufgabe.

Somit ist der Film eine Angelegenheit öffentlichen Interesses.

Im Gegensatz zur Privatwirtschaft, für welche Film nicht mehr als eine profitable Ware sein kann, hat der Staat den Film als integralen Bestandteil der sozialen Wirklichkeit Österreichs zu gewährleisten.

Daher fordern wir das seit langem versprochene Filmförderungsgesetz.

Dieses Gesetz hat vor allem strukturverändernde Aufgaben in Produktion, Vertrieb, Präsentation und in der Aneignung des Films durch das Publikum zu erfüllen.

Grundlegende Voraussetzung der Filmförderung ist die Projektförderung und nicht die Produzentenförderung.

Der ORF ist auf Grund seiner wirtschaftlichen Monopolstellung und seiner gesetzlich verankerten medienpolitischen Aufgabe zu verpflichten, aktiv einen wesentlichen Beitrag zur Filmförderung zu leisten.

Auszug aus der INNSBRUCKER ERKLÄRUNG 1977

Der Zustand der Kino- und Verleihwirtschaft Österreichs ist desolat: Kinosterben, anhaltender Besucherschwund, zunehmende Monopolisierung und damit verbundene Auslandsabhängigkeit.

Das ist das Resultat einer Verleih- und Kinowirtschaft, die zwar vorgibt, den Geschmack der sogenannten „breiten Masse“ zu befriedigen, gerade damit aber einen großen Teil des Publikums aus dem Kino treibt. Die vielfältigen Bedürfnisse der Bevölkerung werden nicht bedacht.

Um diesen katastrophalen Zustand entgegenzutreten, wurde die
KINO - KOOPERATIVE
gegründet. Die Koordination frei programmierender Kinos und Abspielstellen mit alternativem Programm in ganz Österreich schafft die Möglichkeit, mit qualitativen und zielgruppenorientierten Filmen langfristig wieder die Kinos zu füllen!

Dies wird erreicht durch verstärkte Information, erweitertes internationales Film-Angebot (Anschluß an die Weltfilmszene), durch neuartige Werbekonzepte, durch Lieferung von technischem, baulichem und organisatorischem „know how“.

Die Kino-Kooperative wird in allen Landeshauptstädten Medienzentren initiieren. Der Film muß öffentliches Ereignis werden. Erst diese Struktur wird auch den neuen österreichischen Film ermöglichen. Im Interesse aller Kinos erscheint es daher notwendig, dass Bund und Länder alle entsprechenden ge- setzlichen Möglichkeiten schaffen, um eine Vereinheitlichung der Gesetze und Verordnungen und ihre Angleichung an den internationalen Standard zu erreichen. Eine Enquete der Länder ist deshalb notwendig.

Aus den STATUTEN DER KINO - KOOPERATIVE
(Kiko-Bundesfachverband der freiprogrammierenden Kinos und Abspielstellen)

Der Verband, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, bezweckt die Wiedererweckung des Films und gleichwertiger audiovisueller Einrichtungen, wobei Film als Auftrag und Aufgabe gemäß seiner medialen Form gesehen wird.

Grundlage der Tätigkeit der Kiko sind das „Klagenfurter Manifest 1976“ und die „Innsbrucker Erklärung 1977“, sowie alle von der GV verabschiedeten Grundsatzerklärungen.




Wozu „Österreichische Filmtage“ ?

  Nationale Filmtage sind in vielen Ländern seit langem üblich. Sie erfüllen zweierlei Aufgaben, nach innen und nach außen. Nach innen erleichtern sie den notwendigen Überblick über die Jahresfilmproduktionen eines Landes, lassen Trends erkennen oder Krisen und ermöglichen Gegenmaßnahmen, ganz abgesehen von dem unentbehrlichen Informationsaustausch zwischen den Betroffenen selbst, zwischen Filmemachern, Journalisten, Verleihern, Kino- und Spielstellenleitern, Kulturpolitikern und Publikum.

  Wenn Film als Spiegelbild des kulturellen und gesellschaftlichen Bewusstseins eines Landes verstanden wird, muss man - zumindest einmal im Jahr - in diesen Spiegel blicken, um sich zu erkennen.

  Nach außen haben nationale Filmtage die Aufgabe, die internationale Präsenz des jeweiligen Filmschaffens zu fördern. Ausländische Journalisten, Festivalvertreter, Filmeinkäufer usw. haben in wenigen Tagen Gelegenheit, abzuschätzen, was von einer nationalen Filmproduktion international interessant und verwertbar erscheint. Das alles gilt vorrangig für Länder mit einer einigermaßen florierenden Filmproduktion.

  Wozu also „Österreichische Filmtage“? Dass der Zustand der heimischen Filmwirtschaft seit langem desolat ist, weiß mittlerweile jeder. International ist Österreich als Filmland nicht mehr existent. Aber, es war es einmal und es könnte es wieder sein, gewisse Anzeichen berechtigen zu dieser Hoffnung. Eine neue Generation ist herangewachsen, die sich nicht mehr zufrieden gibt mit halbherzigen, hausbackenen und vorgestrigen Rezepten in Bezug auf Filmkultur und Filmwirtschaft. Sie will endlich ihre eigenen Vorstellungen realisieren.

  Dass sie dabei ganz von vorne anfangen muss, ist ihr Problem, aber auch ihre Chance. Traditionen sind nicht mehr vorhanden, ein Aufstand gegen die Väter erübrigt sich. Großpapas Kino hat sich in Österreich selbst umgebracht, danach kam nichts mehr - außer vielleicht einem ungezogen Wechselbalg, der sich eine Zeit lang im Untergrund herumtrieb. Am österreichischen Film ist derzeit nur die Zukunft interessant, gerade weil das Kulturbewusstsein des Österreichers so vergangenheitsbetont war und geblieben ist.

  Der einzige Rückblick, der noch sinnvoll erscheint, ist der auf das konkret Geleistete der jüngsten Vergangenheit. Um Folgerungen zu ziehen, brauchen wir eine Bestandsaufnahme. Was wurde produziert unter welchen Bedingungen? Der nächste Schritt ist dann: Was könnte unter besseren, vernünftigeren Bedingungen geleistet werden?

  Immerhin entstanden auch im filmischen Niemandsland Österreich während der letzten Jahre - unter mangelhafter, alibimäßiger Förderung - eine Anzahl respektabler Filme, darunter einige, deren Regisseure genügend Talent und Bewusstsein aufweisen, um gesellschaftlich relevante und auch publikumswirksame Filme zu machen. Für sie gilt es, die Bedingungen für eine sinnvolle Weiterarbeit zu schaffen, ihnen eine zweite und dritte Chance zu geben, sie nicht aus dem Lande zu jagen. Bedingungen, die so geartet sein müssen, dass die Energie der Filmemacher nicht schon durch die Strapazen der Geldbeschaffung erschöpft ist, wenn sie endlich an die Realisierung gehen. Das betrifft kreative Außenseiter ebenso wie unerfahrene Absolventen der Filmakademie oder routinierte, frustrierte Mitarbeiter des ORF.

  Dazu ist jedoch ein Mindestmaß an Neu-Orientierung aller Betroffenen notwendig. Der Zusammenschluss unabhängiger Filmemacher im „Syndikat der Filmschaffenden Österreichs“ ist ein solcher erster Schritt, auch wenn sich derzeit der Vertrauensvorschuss der Sympathisanten und die Skepsis der Außenstehenden noch die Waage halten. Ähnliches gilt für die Gründung der alternativen Kino-Kooperative und den Aufbau alternativer Verleihe, um Österreich endlich wieder den Anschluss an die internationale Kinoszene zu verschaffen. Vor allem aber hängt die Zukunft des österreichischen Films von der Gestalt des kommenden Filmförderungsgesetzes ab, das den Österreichern schon seit 1970, seit Kreiskys Regierungsantritt, versprochen wird und dessen Entwurf gegenwärtig seine neueste Metamorphose durchmacht. Vor vier Jahren schrieb ich in „Kino“ 4/73 (Berlin): „Selbst ein brauchbares Filmförderungsgesetz könnte nur funktionieren, wenn auch Verleih und Vertrieb und die gesamte Film- und Kino-Infrastruktur einbezogen, neu organisiert und damit überhaupt erst wieder eine Basis für eine lebendige Filmkultur und ein neues Bewusstsein der gesellschaftspolitischen Funktion dieses Mediums aufgebaut würden. Da dies aber eine Vorbedingung für das Zustandekommen eines sinnvollen Gesetzes zu sein scheint, stehen die Chancen schlecht, es sei denn, man verstünde es in Wien, über den eigenen Schatten zu springen“. Dem ist - leider - noch nichts hinzuzufügen.

  Gerade weil Österreich als Filmland national und international nicht mehr existent erscheint, sind „Österreichische Filmtage“ dieser Art als Bestandsaufnahme und Diskussionsforum für alle anfallenden Probleme notwendig. Sie sind aber nur sinnvoll, wenn sie zur permanenten Einrichtung und dadurch langfristig wirksam werden können. Nur Konzepte, die mit Geduld und Zähigkeit fünf oder sechs Jahre vorausschauen, können dem österreichischen Film wieder zur überregionalen Bedeutung verhelfen.

  Noch sind die Filmtage in Velden nur ein Versuch. Das waren beispielsweise die Solothurner Filmtage vor 12 Jahren auch. Heute sind sie aus der Schweizer Filmszene nicht mehr wegzudenken. In der BRD entstand aus langjährigen Filminformationstagen die Duisburger Filmwoche. Sollten die Österreichischen Filmtage Bestand haben, wäre ein Erfahrungs- und Programm-Austausch zwischen diesen drei nationalen Filmfestivals im deutschsprachigen Kulturbereich, zwischen Duisburg, Solothurn und Velden, zu wünschen.

HORST DIETER SIHLER

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1. Österreichische Filmtage Velden 1977

Donnerstag, 29. September 1977 - Kino Velden

10 Uhr:
Retrospektive: Film und Gesellschaft im Österreich der zwanziger Jahre (1918 - 1922)

12 Uhr:
MUTTER KANN DURCH NICHTS ERSETZT WERDE, Hannes Rossacher
EIN DRITTES REICH, Alfred Kaiser
EINMAL NACH WIEN KOMMEN, Thomas Ujlaki

15 Uhr
ALPENSAGA, Dieter Berner

17 Uhr
HOF LAGER NORD, Jörg Priesner
DIE GLÜCKLICHEN MINUTEN DES GEORG HAUSER, Mansur Madavi

19 Uhr
ANGOLAS ZWEITER FREIHEITSKRIEG, Herbert Risz
ARENA BESETZT, Videogruppe Arena

21 Uhr
SCHATTEN UND LICHT, Georg Lhotzky

Gemeindesaal Velden

12 Uhr
DIVERSE FILME, Forum Stadtpark Graz

15 Uhr
DER GROSSE HORIZONT, Titus Lehner

19 Uhr
GLÜCKLICHE ZEITEN, Käthe Kratz

21 Uhr
AD-HOC-PROGRAMM

Täglich ab 23 Uhr: Mitternachts-Stammtisch im Hotel Hubertushof, Europaplatz



Freitag, 30. September 1977 - Kino Velden

10 Uhr: Retrospektive: Film und Gesellschaft im Österreich der zwanziger Jahre (1923 - 1926)

12 Uhr
HRDLICKA IN CARRARA, Wolfgang Lesowsky, Dokumentarfilm
BEGEGNUNGEN IM NEBEL, Wolfgang Lesowsky, Spielfilm
FREISTADT, Fritz Lehner, Dokumentarfilm

15 Uhr
FREIES THEMA, Paul Sedlacek, Experimentalfilm
EIN TAGEBUCH, Gerhardt Ordnung, Dokumentarfilm
WENN ES STÜRMT UND SCHNEIT, IST DER SAMSTAG NICHT MEHR WEIT, Ursula Scheiber, Dokumentarfilm
RÜBEZAHL, Kitty Gschöpf (Kino), Spielfilm
DREAMS ARE BUBBLES, Hermann Dellacher, Spielfilm

17 Uhr
WIEN-FILM, Ernst Schmidt, Dokumentar- und Experimentalfilm

19 Uhr
EIN PLATZ IN DER MITTE, Petrus van der Let, Kurzspielfilm
ICH WILL LEBEN, Jörg Eggers, Spielfilm

21 Uhr
UNSICHTBARE GEGNER, Valie Export, Spielfilm

Gemeindesaal Velden

12 Uhr
BESCHWICHTIGUNGSSHOW, Peter Sämann, Show
DER GROSSE WEISSE WEG, Gustav Trampitsch, Dokumentarfilm

15 Uhr
FILM IN ÖSTERREICH, Bernd Frankfurter, Dokumentarfilm
DIE FRAU IM FENSTER, Wolfgang Lesowsky
WIE SAND AM MEER, Bernd Frankfurter

17 Uhr
HILLBILLY HEAVEN, Gustav Trampitsch, Dokumentarfilm

19 Uhr
AD-HOC-PROGRAMM



Samstag, 1. Oktober 1977 - Kino Velden

10 Uhr: Retrospektive: Film und Gesellschaft im Österreich der zwanziger Jahre

12 Uhr
VOM EINFACHEN MENSCHEN JURA SOYFER, Götz Fritsch, Spielfilm
ANNANEE, Elfie Stejskal, Dokumetarfilm

15 Uhr
DREI TAGE EINER NACHT, Ernst Lauscher, Spielfilm
JOHANN NESTROY 1801 bis 1862, Walter Bannert, Dokumentarfilm

17 Uhr
RATATATA, Gerald Kargl, Dokumentarfilm
AUSGERECHNET WIR?, Werner Fitzthum, Dokumentarfilm
ZU ZWEI ALLEIN, Abraxas, Spielfilm

19 Uhr
DIE WIENER STADTBAHN, Walter Eckhard, Dokumentarfilm
JESUS VON OTTAKRING, Wilhelm Pellert, Spielfilm

21 Uhr
DR ..., Herbert Prasch, Kurzspielfilm
KANGA MUSSA, Götz Hagmüller, Spiel- und Dokumentarfilm

Gemeindesaal Velden

12 Uhr
AD-HOC-PROGRAMM

15 Uhr
DER BAUER UND DER MILLIONÄR, Axel Corti, Spielfilm



Sonntag, 2. Oktober 1977 - Kino Velden

10 Uhr: Retrospektive: Film und Gesellschaft im Österreich der zwanziger Jahre

12 Uhr
DIE INDUSTRIE ENTLÄSST IHRE KINDER, Klaus Homschak, Spielfilm
DER EINSTAND, Reinhard Schwabenitzky, Spielfilm

15 Uhr
HOCHZEITSTAG, Reinhard Meier, Spielfilm
DER VAMPIR, DER AUS DER U-BAHN KAM, Karin Brandauer, Spielfilm
SCHLACHTHOF ST. MARX, Rudi Palla, Dokumentarfilm
DIE ORDNUNG DER VERHÄLTNISSE, Manfred Kaufmann, Dokumentarfilm

17 Uhr
DIE SPARRREICHEN VIER, Harry Scholz, Spielfilm
HEANZNLAND, Wolfgang Lesowsky, Spielfilm

19 Uhr
101 STUNDEN, Lukas (Lucky) Stepanik, Spielfilm
LÄNDLICHES UND SCHÄNDLICHES, Klaus Hundsbichler, Dokumentarfilm

21 Uhr
PLAYBOY, Günther Blattl, Experimentalfilm
LANGSAMER SOMMER, John Cook, Spielfilm

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Kleine Zeitung NACHLESE ZU DEN ERSTEN ÖSTERREICHISCHEN FILMTAGEN IN VELDEN:
Jetzt die Lehrjahre durchlaufen ...

Die österreichischen Filmmacher, die nach Velden kamen, präsentierten sich in einer hilflosen Verfassung, was die praktische Umsetzung ihrer Forderungen betrifft. Vergleicht man den filmischen Aufstieg mit dem politischen, so müsste man sagen, dass man sich auf dem Gebiet des österreichischen Films ungefähr dort befindet, wo die hilflosen Bewegungen der Masse erstmals mit dem Aufbau utopischer Systeme durch Theoretiker in Berührung kamen.

Allerdings ging es während dieser vier Tage, die veranstaltet von dem Anfang des Jahres gegründeten Syndikat der Filmschaffenden Österreichs waren, eher um ein internes Finden, um eine Art von „Selbstdarstellung“. Das alles anhand von einer Bestandsaufnahme der in Österreich produzierten Filme der letzten Jahre und der Bedingungen, unter denen sie entstanden. Darüber hinaus ging es aber vor allem um die Zukunft: Um die internen Forderungen zu klären, die zu einer Verbesserung der Filmszene Österreichs beitragen sollen, waren selbstverständlich manche Diskussionsstunden notwendig.

Im Moment gibt es in Österreich trotz des in der Regierungserklärung versprochenen Filmförderungsgesetzes, abgesehen von einer ungenügenden „Filmkommission“ und einigen müden Versuchen in den Ministerien, nichts: Im Handelsministerium bastelt man noch immer an Vorlagen, denen allen gemeinsam ist, das sie immer wieder in Schubladen landen.

Im Mai dieses Jahres hat nun das Syndikat Vorschläge zur Sanierung der filmwirtschaftlichen Situation in Form eines Maßnahmenkatalogs, der in monatelangen Diskussionen entstanden ist, publiziert. Im übrigen ist nach dem in Salzburg herausgegebenen „Medienreport“ dieses Papier das einzig ernstzunehmende, das zur Zeit existiert.

In diesem Katalog findet sich auch ein Begriff, der in den täglichen Diskussionen beim Mitternachtsstammtisch etwas hoffnungsvoll aber eher verschwommen vorgestellt wurde: der „neue österreichische Film“.

Wenn es sich hier wirklich um einen neuen Film formaler und inhaltlicher Art handelt, und nicht um einen unmotivierten Seitenhieb, ergibt er sich aus der ganzen vorhergehenden Entwicklung, aus dem bereits vorhandenen und stößt, sich aber gleichzeitig von diesen Ufern ab, um neue Gebiete abzutrotzen. Nur durch Diskussionen ist der „neue österreichische Film“ nicht machbar. Was an österreichischen Filmen der letzten drei Jahre vorzustellen war, ließ sich programmatisch ankündigen, die Bemühungen einer Repräsentation waren vielleicht nicht erschöpfend.

Manche Dokumentationen und Spielfilme waren handwerklich unsicher, von der Thematik her allerdings vorwiegend kritisch, in der Auflösung aber manchmal unsauber, oberflächlich und zu allgemein, um Erkenntnisse zu bringen.

Einige der gezeigten Werke haben jenes Niveau, das auch in Zukunft gehalten werden müsste und zwar von mehr Filmemachern: Valie Exports „Unsichtbare Gegner“, der gelungene Versuche einer filmischen Umsetzung eines Schizophrenieverlaufs, „Kanga Mussa“ von Götz Hagmüller, ein „Film-Poem“, Schwabenitzkys Einstand, die sensible Bearbeitung der Probleme von Jugendlichen im und nach dem Strafvollzug und einige andere Filme.

Positiv die sich von Tag zu Tag intensiver entwickelnden Diskussionen um Mitternacht, zwar noch ohne Strukturen und konkrete Richtung, aber internes Klären. Positiv auch die parallellaufenden Initiativen der KiKO (Kinokooperative) und des Filmladens eines Alternativverleihs. Verständlich die zeitweilige Ratlosigkeit, gefährlich die versuchte Fahnenflucht, wenn es darum ging, die Filminhalte zu analysieren. Es stimmt noch nicht, dass es einen neuen österreichischen Film gibt. Wo? Worin? Die Filmemacher durchlaufen ihre Lehrjahre.

M.R.
Kleine Zeitung, 4. Oktober 1977, Seite 22


Frankfurter Allgemeine Zeitung Filmtage in Velden
Österreichs Kino lebt vom Fernsehen

(...) Erklärtes Ziel dieser Veranstaltung war jedoch weniger die Diskussion der vorgeführten Filme als vielmehr die der Bedingungen, unter denen sie heute in Österreich entstehen: Bei ganzen 21 Millionen Kinobesuchen, die sich auf die verbliebenen rund 500 Kinos verteilen, von einer Filmkrise zu reden, wäre mild untertrieben: das österreichische Kino ist zur Zeit ein dekorativer Leichnam.

(...) Immerhin: In Velden gründeten ein rundes Dutzend Programmkinos und nichtkommerzieller Filmklubs mit mehreren tausend Mitgliedern eine „Kino-Kooperative“ nach dem Vorbild der westdeutschen „Arbeitsgemeinschaft Kino“. Das Syndikat hat mit seinem „Filmladen“ einen alternativen Kleinverleih gestartet und versucht außerdem, die seit Jahren dahindämmernde Diskussion um ein Filmförderungsgesetz mit eigenen Entwürfen wieder in Gang zu bringen. Dem österreichischen Kino wieder auf die Beine zu helfen, scheint jedoch der einheimischen Fachpublizistik vergebliche Liebesmüh': die österreichischen Filmkritiker, im Gegensatz zu bundesdeutschen und Schweizer Kollegen, glänzten durch Abwesenheit.

Kraft Wetzel
Frankfurter Allgemeine, ohne Datums- und Seitenangabe, Oktober 1977



Österreich 1 Mittagsjournal vom 26. September 1977
Österreichische Filmtage in Velden - Eine Vorschau
Bernhard Frankfurter und Gerald Kargl im Gespräch mit Konrad Zobel
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TAINACHER RESOLUTION

Die bei der "1. Österreichischen Kino-Tagung“ in Tainach/Tinje, Kärnten vom 2. bis 5. Juni 1982 anwesenden Vertreter nichtkommerzieller Kinos und Spielstellen aus ganz Österreich haben - nach ausführlichen Bestandsaufnahmen und Situations-Analysen ihrer rechtlichen, gesetzlichen und finanziellen Lage (z.B. repressive Kinogesetze, existenzbedrohende Steuerforderungen bei minimaler Förderung) - in Anlehnung an die vorbildliche, filmkulturelle Aufbauarbeit der kommunalen Kinos und Programmkinos in der BRD, einem Land, wo die Filmarbeit längst Bestandteil moderner Kulturpolitik ist - einstimmig den Aufbau folgender Selbsthilfeorganisationen beschlossen:

1. Die Gründung einer Kino-Kooperative als Zusammenschluss aller betroffenen nichtkommerziell orientierten Kinos und Spielstellen in Österreich zu einer Arbeitsgemeinschaft, um den Anschluss an die internationale Film- und Kinoszene in den Achzigerjahren wiederherzustellen und auch dem neuen österreichischen Film eine kontinuierliche Abspielbasis zu verschaffen. Vordringliche Ziele dabei sind:

a. Die finanzielle Sicherung bestehender und zukünftiger filmkultureller Spielstätten, wie z.B. des Alternativkinos Klagenfurt, das bereits in seiner Aufbau-Phase bedroht ist.

Die Tagungs-Teilnehmer richten einen dringenden Appell an die Verantwortlichen der Stadt Klagenfurt und des Landes Kärnten, die Realisierung des Alternativkinos, bzw. Forum Lendhafens zu ermöglichen, weil die Kino-Kooperative diesen Partner braucht und sonst ein ganzes Bundesland ausfallen würde.

b. durch Zusammenarbeit eine bessere und kostenverringernde Programmierung zu erleichtern. Dazu gehört:

2. Der Aufbau eines eigenen Verleihs um das Filmangebot in Österreich zu verbessern und die Filmbeschaffung zu erleichtern. Die Mittel zum Aufbau der Kino-Kooperative und des Verleihs sollen - in bereits erfolgter Absprache mit dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst - durch eine ausreichende finanzielle Starthilfe gewährleistet werden, unter gleichzeitiger Einwirkung auf die Behörden von Städten und Ländern um in den Bundesländern die Voraussetzungen - in finanzieller und gesetzlicher Hinsicht - für eine kontinuierliche Kino- und Filmkultur zu schaffen.

(Die Anwesenheit einer Anzahl von Länder-Vertretern bei der Kinotagung kann als Beginn eines Umdenkens gewertet werden.) Zu dieser Thematik gehört der gesamte Komplex der steuerlichen Abgaben, mit denen diese nicht auf Gewinn gerichteten gemeinnützigen Filmkulturzentren noch belastet sind (zum Teil sogar - wie in der Steiermark - stärker als kommerzielle Kinos), wie Vergnügungssteuer, Lustbarkeits-, Landeslichtspiel- oder Kriegsopferabgaben, die je nach Bundesland oder Stadt verschieden sind und einer einheitlichen Regelung bedürften, um private Initiativen nicht abzuwürgen, sondern zu ermutigen, vor allem aber auch das Problem der landeseigenen Kinogesetze.

Ein Referat der Tagung hieß: „Verhindern Kinogesetze Filmkultur?“ In Übereinstimmung mit den Teilnehmern aus der Steiermark, die in letzter Minute ein repressives Kinogesetz verhindern konnten, fordern die Tagungsteilnehmer die Beseitigung bisheriger Hemmnisse und vor allem "die Freigabe der Lichtspielmedien zur nichtkommerziellen Nutzung, weil ohne allgemeine Medienfreiheit, ohne das Recht auf freien Gebrauch der Mittel zur Verbreitung von Meinungen, von Meinungsfreiheit keine Rede sein kann. Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine demokratische Kulturentwicklung“.

Die neue Kino-Kooperative wird eine eigene Rechtspersönlichkeit mit eigenen Durchführungsorganen sein, die nur ihren Mitgliedern verantwortlich ist. Die Mitgliedschaft hängt dabei von der Art des Umgangs der jeweiligen Spielstelle mit dem Medium Film und dem Publikum ab. Angestrebt wird eine möglichst breite Basis. Die Kino-Kooperative ist gewillt, mit jedem zusammenzuarbeiten, der ihre Ziele partiell oder gänzlich unterstützt.

Die Details über die Organisationsform der Kooperative (Struktur, Kalkulation, Aufgabengebiet und Sitz - möglichst nicht in Wien, sondern in einem der anderen Bundesländer) werden in einer baldigen Nachfolge-Tagung konkretisiert und dem Bundesministerium noch im Sommer 1982 vorgelegt.

Im Jahr 2 des neuen österreichischen Filmförderungsgesetzes versteht sich die Kino-Kooperative als notwendige Initiative, um nach der Produktions- und Vertriebsförderung auch das bisherige Tabu der Kino-Förderung zu durchbrechen. Ohne Kinoförderung keine Kino-Kultur und damit auch keine Filmkultur.

Unterzeichnet von den in Tainach/Tinje (Kärnten) anwesenden Gründungsmitgliedern der Kino-Kooperative: Stadtkino, Wien  /  Das Kino, Salzburg  /  Medienagentur, Salzburg  /  Humboldt-Filmclub Salzburg  /  Das andere Kino, Linz  /  Alternativkino, Klagenfurt  /  Cinematograph, Innsbruck  /  Cineclub Zoom, Bregenz  /  Krit. Informationszentrum, Graz  /  Forum Stadtpark, Graz  /  Koordinationsbüro Film, Graz  / 



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